Auszug aus Kapitel 4 - Der Auftrag
»Captain? Durchsage erfolgt. Die anderen Einheiten versuchen, sich wieder der Hauptflotte anzuschließen. Für zehn Einheiten kommt es allerdings zu spät. Sie sind bereits abgeschossen worden. Wir haben eine … Ach, du Scheiße! Achtung, es kommt …!«
Der Pilot brach mitten im Satz ab. Die Bruchstücke, die ich trotzdem empfangen hatte, ließen nichts Gutes ahnen. Da krachte es gewaltig und unser Kampfboot wurde regelrecht aus der Flugbahn katapultiert. Das Schiff kam stark ins Trudeln und überschlug sich mehrmals. Als Nächstes rutschte mir der Magen bis in die Kampfstiefel. Ein sicheres Zeichen für den freien Fall. Erst jetzt bemerkte ich das Fehlen der Antriebsgeräusche. Es war nur ein extrem hoher und schriller Pfeifton zu hören, der stetig an Intensität zunahm.
Alle, die bisher überlebt hatten, schlossen wahrscheinlich in diesem Moment mit ihrem Leben ab. Auch mir gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Warum ausgerechnet musste alles hier auf diesem beschissenen Drecksplaneten enden? Aber ein Planet war so gut wie der andere und letztendlich war es egal, wo es passierte. Statistisch gesehen hatte ich diesen Krieg sowieso schon viel zu lange überlebt. Es war auch unwahrscheinlich, dass man mich wieder zusammenflicken würde, so wie sie es bislang immer taten. Einen Absturz aus dieser Höhe konnte keiner von uns überleben. Es wäre ein Wunder, wenn überhaupt irgendetwas von mir oder meinen Männern für eine Beerdigung übrig blieb.
Die Schwerkraft lastete gewaltig auf meinem Körper. Mittlerweile musste der schrille Pfeifton in so hohe Frequenzbereiche abgewandert sein, dass er kaum noch vom menschlichen Gehör wahrgenommen werden konnte. Mehr als ein leises Fiepen war nicht übrig geblieben. Es konnte auch sein, dass eines meiner Implantate das Geräusch abschwächte. Ich rechnete jeden Moment mit dem Aufschlag und dachte noch einmal an meine Familie: an das Versprechen, das ich meiner Mutter gegeben hatte; an meinen toten Vater, der vor vielen Jahren von einer geheimen Operation niemals zurückgekehrt war; an meinem Bruder, der letztes Jahr an Bord der Typhus gestorben war. Die Typhus war auf einem Patrouillenflug in einen Hinterhalt geraten. Der Feind hatte das Schiff vollständig zerstört. Überlebende gab es keine.
Ein ohrenbetäubendes Brüllen riss mich aus meinen Gedanken. Zeitgleich fiel die Innenbeleuchtung aus und ich wurde von den Beinen gerissen. Die Schwerkraft nahm noch einmal merklich zu und mir wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Das Atmen fiel mit extrem schwer. Einen Funkspruch an den Piloten konnte ich mir sparen. Bei dem Lärm würde der nicht ein einziges Wort verstehen können. Außerdem hatte dieser es anscheinend geschafft, die Triebwerke neu zu starten, und versuchte gerade, die Maschine abzufangen. Wieder war das Kreischen von zerreißendem Metall zu hören. Dieses Mal war es so laut, dass es sogar die unnatürlich laut brüllenden Triebwerke übertönte.
Ich schaute nach oben, jedenfalls in die Richtung, die ich für oben hielt, und sah, dass die Schiffshülle auf mehreren Metern aufgerissen war. Nicht mehr lange, und das Kampfboot würden auseinanderreißen. Damit starb auch die eben aufgekommene Hoffnung auf eine doch noch glückliche Landung. Aber vielleicht schaffte der Pilot ja einen kontrollierten Absturz. Die Überlebenschancen wären zwar gering, aber wenigstens hätte man dann eine Chance. Wenige Augenblicke später sank der Geräuschpegel auf einen Bruchteil, die Fluglage stabilisierte sich und wir wurden tatsächlich stetig langsamer.
Plötzlich fielen die Triebwerke wieder aus und das Kampfboot sackte abrupt nach unten, um wenige Herzschläge später auf den Boden aufzuschlagen.
Irgendwo im Inneren brach ein Feuer aus. Aus den Augenwinkeln nahm ich den Rauch und das Lodern kleiner Flammen wahr. »Aus dem Weg!«, brüllte Zuchkowski. Ich brauchte einen kleinen Augenblick, um zu begreifen, dass diese Aufforderung auch mir galt. Ich wuchtete mich hoch und hatte kaum einen Schritt nach hinten gemacht, da stürmte Bull auch schon an mir vorbei. In den Händen hielt er eine mobile Löscheinheit. Guter Mann, dachte ich und wahr unendlich froh, dass Zuchkowski noch am Leben war. Nicht nur das, er schien die Situation Sekunden nach dem Aufprall bereits fest im Griff zu haben. Erst jetzt hörte ich das penetrante Tuten der Alarmsirene. Zwischen den einzelnen Signaltönen war das Gestöhne mehrere Soldaten zu hören. Also gab es auf jeden Fall noch mehr Überlebende. Das war ein Anfang. Ein kleiner, aber dennoch ein Anfang. Ich benutzte mein ICS auf dem Kanal, der mich ausschließlich direkt mit dem Piloten verband.
»Lieutenant Hoi? Hören Sie mich?«
»Laut und deutlich, Captain«, klang die kraftlose Stimme aus meinem ICS.
»Können Sie mir einen ersten Statusbericht durchgeben?«
»Ich weiß nicht, wie zuverlässig die Daten sind, Captain. Ich werde noch einige Minuten brauchen, dann kann ich Ihnen Näheres zur aktuellen Lage sagen. Aber vorab, wir sind unten. Aber das haben Sie sicher schon bemerkt. Lieutenant Abbe ist tot, Sir. Die Maschine scheint noch in einem Stück zu sein. Aber wie gesagt, ich lasse gerade den Computer einen Check-up durchlaufen. Ich melde mich gleich bei Ihnen.«